„Albumbesprechung“ I

Broilers – [sic!]

 

Da ist er also. Der Nachfolger vom Noir Album. Was habe ich mich auf das Album gefreut. und wurde ich enttäuscht? In keinster Weise. Schon die erste Single „Bitteres Manifest“ hat einen guten Eindruck davon vermittelt was uns erwartet. Ein deutlich schnelleres, punkigeres Album als es noch der Vorgänger war. Viel mehr Vanitas als Noir. Und das ist auch gut so! Aber alles ganz entspannt der Reihe nach.

Ich fange mal direkt mit dem Atwork an. Alles ist in krassem orange/schwarz Kontrast gehalten. Wirkt mega stimmig und man hat direkt das Gefühl eine Platte in den Händen zu halten, die in den frühen 80er veröffentlicht wurde. Hier wird also auch direkt gezeigt, in welche Richtung die Reise wohl gehen wird. Ich möchte hier mal kurz die Gelegenheit nutzen um einen kleinen Exkurs zu machen, bevor ich wieder auf das eigentliche Thema komme.

Das Artdesign macht mir mal wieder deutlich, warum ich wieder (eigentlich zum ersten Mal bewusst) zum Vinyl gegangen bin. Ich bin nicht der Typ audiophil, der die Meinung vertritt, dass sich Vinyl grundsätzlich besser anhört. Selbstverständlich  mag ich es wenn es hier und da mal kratzt, oder ähnliches, aber um wirklich sagen zu können, wo der Teufel sich genau im Detail versteckt fehlt mir einfach das Gehör, aber auch das Equipment. Ich liebe und sammel Vinyl hauptsächlich aus dem Grund etwas in der Hand zu haben. Ich finde ein vernünftiges Artdesign kommt nur auf der Vinylgröße richtig zur Geltung. Eine gute Platte ist nicht einfach nur die Musik, sondern auch das Cover kann und sollte, wenn gut gemacht, schon eine Geschichte erzählen, aber das ist etwas was bei einer CD oft komplett verloren geht. Nun aber wieder zum Album zurück.

Dieses beginnt nach einem kurzem Intro mit „Nur ein Land“. ein genialer Einstieg in das Album. Es besitzt einen treibenden Anfang und den typischen Broilersrefrain. Also Faust in die Luft und direkt mitschreien.

„Doch du bist nur ein Land, wir gestalten Dich!“

Auch textlich wird hier die erste Duftmarke gesetzt.

„Bitteres Manifest“ als erste Singleauskopplung kann auch gut und gerne als die düstere Version von „Meine Sache“  bezeichnet werden und war  gut gewählt, da dieses Lied so ziemlich alles vereint, was ein Broilerssong ausmacht und klar macht: hier regiert diesmal der Punkrock. Und wie er regiert!

„Keine Hymnen heute“ ist für mich ein absolutes Highlight. Hier wird zunächst ganz langsam eine immer unruhigere Atmo aufgebaut, die sich dann nach der ersten Strophe komplett entlädt und die ganze Energie und Wut raushaut. Ich will hier gar nicht viel zu sagen. Schaut euch einfach das gesamte Video an. Ich mag es, wie das Lied einfach abrupt endet. Es lässt mich beim hören einfach mit dieser im Text erwähnten Ungewissheit aber auch Angst zurück,  die Musik könne halt irgendwann einfach  enden und plötzlich gibt es da nichts mehr.

„Ein paar Schläge für die Kunst, ein paar Stiche in die Membran
Die Geiger schleichen sich vom Schiff
Alles schweigt, wo Stimmen waren“

Die nächsten drei Lieder sind für mich die schwächsten auf dem Album. „Die Beste aller Zeiten“ ist der typische Vergangenheitsbewältigungssong, der textlich eigentlich stark ist, mich aber musikalisch nicht packt. Alles in allem solide, aber Nichts was sich bei mir im Kopf festsetzen wird. Gleiches gilt für „Irgendwas in mir“ Nur irgendwie anders herum (Verwirrend ich weiß). Hier ist es der Text der eher naja ist, aber der Sound bockstark. Würde ich nicht skippen, aber auch nicht auf eine Playlist packen. Aber das hier ist jammern auf verdammt hohem Niveau. Es bleiben solide Punkrocknummern für die so manch andere Band sicherlich töten würde „Gangster, Gangster“ fängt mit typischem 80er Hip-Hop Synthiegedüdel an und orientiert sich auch weiterhin musikalisch grob an diesem Thema auch wenn es zum Schluss dann doch ein schneller Punkrocksong ist und bleibt.

Seite A endet mit „Ihr da oben“. Ein Lied für all die, die schon von uns gegangen sind. Ein wundervoller Song. Textlich sehr gut, sehr ehrlich und ohne dieses dick aufgetragene schwülstige Gesülze, was man sonst oft in vielen Popproduktionen mitbekommt. Obwohl das Thema ein trauriges ist, so ist es aber dadurch nicht zwingend ein trauriges Lied, eher eins nach dem Motto; ist zwar richtig Scheiße ohne euch, aber ey, irgendwann sehen wir uns und dann trinken wir da oben zusammen ein und solange müsst ihr einfach warten und wir haben ja auch eure Erinnerungen immer dabei.

„Wenn es hier unten ganz eng wird, blicke ich wütend nach oben
hast uns alleine gelassen mit der Scheiße
bist einfach gestorben
dann sehe ich deine Bilder an,
dann höre ich deine Lieder,
dann lese ich deine Zeilen,
dann mach ich weiter,
denn wir sehen uns ja wieder!“

Ich mag es, wie die Musik sich während des Songs immer weiter aufbaut und am Ende wieder zu einer typischen Hymne wird, die sich einfach perfekt zum mitsingen eignet. Nicht still trauern, sondern die Wut und Hoffnung rausschreien. Mit der einen Hand das Bier umklammert und mit der anderen die Freunde.

„Unsere Tapes“ sagen, dass egal wie scheiße alles sein mag, Liebe und Musik ist Alles was man braucht. Solange wir uns und unsere Lieder haben, kann uns nichts passieren. Wie recht die Broilers doch damit haben.

„Wie die besten Lieder auf unseren Tapes,
das bleibt, wenn alles andere zusammenbricht,
nur zwischen dir und mir, nur zwischen uns“

 Und da mittendrin dieses eine Lied, dass die Beziehung zu der eigenen Familie nicht besser beschreiben könnte. Egal wie sehr dich deine Familie manchmal auch ankotzen mag, egal wie sehr du selber deine Familie manchmal ankotzt. Es ist und bleibt deine Familie. Die für die du kämpfst und die du ja doch alle am Ende des Tages liebst.

„Ein Teil von mir. Das ist meine Familie, das ist mein Haus.
Ein Teil von mir. Die Wände sind schief, die Kinder verlaust.
Ein Teil von mir. Das Alles gehört zu mir.
Das Dach steht in Flammen und der Keller ist feucht.
Ich liebe jeden Einzelnen, ein Teil von mir, der meinen Stammbaum verseucht“

„Zu den Wurzeln“ behandelt das Problem von Alltagsrassismus und die Frage nach der eigenen Identität.

„Du sagst ich soll zu meinen Wurzeln stehen“

Welche Wurzeln? Beurteilt Menschen verdammt noch einmal nicht nach ihrem Aussehen!

„Wie gut er spricht,
und sich beträgt,
hat sich ganz prächtig integriert“

„Verfickt doch eins, ich leb doch hier!“

So schwer sich das Thema und der Song anhören mag, so leicht wirkt er. Das gelingt besonders durch die starken Ska-Anleihen im Song. Die Message wird hier nicht mit dem Vorschlaghammer vermittelt sondern mit dem Tanzbein.

„Woran glauben“ ist einfach eine straight Punk Rock Nummer. Läuft!

„Als das alles begann“ fragt sich, was wir unseren Kindern später einmal erzählen wollen, wenn hier alles vor die Hunde geht. Wollen wir sagen, wir hätten die Zeichen nicht erkannt? Warum sind wir nicht aufgestanden gegen den ganzen Müll der gerade sich gerade in so vielen Teilen der Welt ausbreitet?

„Wir haben lieber Katzenbilder ins Netz gestellt“

„Hier steh ich“ Ist dann noch einmal ein perfektes, nahezu episches Ende des Albums.

Noch einmal, wer auch nur irgendwas für Punkrock über hat, kommt an diesem Album absolut nicht vorbei. Hier könnte schon im Februar das Album des Jahres auf uns warten.

Ich liebe es jetzt schon sowas von. Es ist soviel stärker als „Noir“ welches nicht schlecht war, aber leider auch mit „Die letzten an der Bar“ mindestens ein Totalausfall hatte, der mich immer wieder an Ich+Ich erinnert. Klar hat das Album schwächere Songs, aber ich glaube, diese fallen wirklich nur im Kontext ab. [sic!] ist einfach voll von Qualität und einfach genialem Punkrock.

Anhören! Jetzt! Sofort!

!tre!

Ein Gedanke zu „„Albumbesprechung“ I“

  1. Der Ich+Ich Vergleich ist echt passend! 😀
    Aber ich muss sagen, so schön, charmant, liebevoll Sic! auch ist… Noir hat es für mich nicht getoppt. Aber gut auseinander genommen.

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Paul Fehm

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